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http://www.harvardbusinessmanager.de/meinungen/artikel/kognitive-fallen-bessere-entscheidungen-treffen-a-930333.html

Veröffentlicht am

Drei Tipps für klares Denken

Von John Dame und Jeffrey Gedmin

In der Regel halten wir uns für rationale Entscheider - dabei tappen wir regelmäßig in kognitive Fallen, ohne es zu überhaupt zu bemerken. Mit diesen Tipps treffen Sie bessere Entscheidungen.

Ernst Cramer, der inzwischen verstorbene Chefredakteur der Tageszeitung DIE WELT, erzählte einmal, wie er kurz nach dem zweiten Weltkrieg, als Student in den USA in einem Mathekurs auf einen Fehler im Buch aufmerksam machte. Der Dozent wies das umgehend und ziemlich barsch zurück. Ein paar Monate später, als Cramer während der Sommerferien auf einer Farm arbeitete, sah er eines Tages seinen Professor von einem geparkten Auto aus quer über das Feld auf sich zurennen. "Cramer", rief dieser lauthals mit Reue in der Stimme: "Sie hatten Recht - das war wirklich ein Fehler im Buch, und der Verlag hat das korrigiert!"

Cramer erzählte diese Anekdote über seine frühen Erfahrungen in Amerika. Die Charakterstärke des Professors beeindruckt uns. Aber wir erzählen die Geschichte vor allem deshalb, weil die ursprüngliche Reaktion des Professors ein gutes Beispiel für zwei Fehler ist, die auch Managern häufig unterlaufen. Der erste Fehler ist die kritiklose Autoritätshörigkeit (auch gegenüber den eigenen Vorgesetzten), sowie der unerschütterliche Glaube an etablierte Regeln. Der zweite Fehler ist die Angewohnheit, scheinbar respektlose Behauptungen umgehend zurückzuweisen.

Wir alle haben solche blinden Flecken. Diese Schwächen sollten wir bekämpfen. Aber allein schon die Vorstellung klingt beinahe altmodisch. Schließlich heißt es heute oft, dass wir an unseren Stärken arbeiten sollten.

Zumindest in der Welt der professionellen Musik ist oft das Gegenteil der Fall. So lassen die meisten Dirigenten das Orchester gleich zu Beginn der Probe die schwierigsten Partien des Stückes spielen und widmen ihnen auch die meiste Zeit, weil genau dort die größten Schwächen lauern.

Aber wie können Manager etwas gegen ihre eigenen Schwächen tun, die ihnen ja häufig kaum bewusst sind? Wir stellen hier einige selbst erprobte Techniken vor, um drei berüchtigte kognitive Verzerrungen möglichst zu vermeiden.

 

1. Spielen Sie den Advocatus diaboli, um "Bestätigungsfehler" zu vermeiden

Mit so genannten Bestätigungsfehlern ist unsere Tendenz gemeint, alle neuen Informationen so zu interpretieren, dass sie zu unseren bisherigen Annahmen hinsichtlich einer Situation oder eines Problems passen. Wenn Sie glauben, Franzosen seien grundsätzlich unhöflich, dann werden Sie auf Ihrer Reise nach Paris mit Sicherheit entsprechende Beispiele finden, die Ihre These bestätigen. Gegensätzliche Erfahrungen - ein freundlicher Kellner, ein umsichtiger Gepäckträger - werden Sie unbewußt beiseite wischen. Sie sind in unseren Augen Ausnahmen, die unsere ursprünglichen Meinungen nicht beeinflussen.

Die Investor-Legende Warren Buffett sagt: "Der Mensch hat die besondere Gabe, jede neue Information so zu interpretieren, dass seine bestehenden Ansichten aufrecht erhalten werden." Er weiß, dass auch er selbst davon betroffen ist.

Anwälte, Redner und Politiker setzen den Bestätigungsfehler gezielt ein, wenn sie für eine Sache argumentieren und dabei ganz bestimmte Fakten auswählen, während sie andere unter den Tisch fallen lassen oder für belanglos erklären. Im Geschäftsleben aber können Bestätigungsfehler verheerend sein. Nämlich dann, wenn sie Entscheidungsträger dazu verleiten, voreilige Schlüsse oder Analogien zu ziehen und Fakten zu ignorieren, die gegen eine mögliche Handlungsoption sprechen.

Den Rückschaufehler vermeiden

Was können wir dagegen tun? Es gibt eine Möglichkeit: Wir müssen uns vergewissern, dass wir stets ein umfassendes und zutreffendes Bild von der Sachlage haben, wenn wir wichtige Entscheidungen treffen müssen. Haben Sie eine bestimmte Theorie über jemanden oder über irgendetwas, dann überprüfen Sie diese. Haben Sie ein Gefühl von Unstimmigkeit - bei einer kniffligen Frage oder bei einem bestimmten Problem -, dann gehen Sie dem nach. Machen Sie es wie der Orchesterdirigent und gehen Sie dem Problem auf den Grund. Sagt jemand - oder glauben Sie selbst - es handle sich nur um eine Ausnahme, dann stellen Sie sicher, dass dem auch wirklich so ist. Überprüfen Sie die entsprechende Behauptung - und zwar so gründlich wie möglich.

Um dem Bestätigungsfehler Herr zu werden, müssen Sie Ihre eigenen Annahmen in Frage stellen und impulsive Schlüsse vermeiden. Es ist sehr schwer, dies Tag für Tag durchzuhalten. Deshalb ist es so wichtig, dass Sie im Kreis Ihrer Berater jemanden haben, der Ihnen ständig Kontra gibt. Das mag manchmal ärgerlich und nervig sein, führt aber zu besseren Entscheidungen.

2. Führen Sie ein Tagebuch gegen den "Rückschaufehler"

Im Laufe des Lebens bilanzieren wir alle laufend, was funktioniert, was nicht und warum das jeweils der Fall gewesen ist. Leider arbeitet unser Gedächtnis meistens sehr selektiv. Der so genannte Rückschaufehler ist ein enger Verwandter des Bestätigungsfehlers und mindestens ebenso problematisch. Auch hier ziehen wir selektiv nur Fakten heran, die unsere Erklärung stützen, warum etwas in der Vergangenheit so und nicht anders geschehen ist. Zum Beispiel die Finanzkrise 2008, die Wiederwahl von Barack Obama, die Entscheidung einen neuen Manager einzustellen oder eine neue Unternehmensstrategie einzuführen.

Nun ist es an sich nicht verkehrt, Theorien, mentale Modelle und ein analytisches System zu haben. Im Gegenteil. Problematisch wird es, wenn wir deshalb das kritische und unabhängige Denken vernachlässigen und unsere Denkmuster nicht mehr hinterfragen. Der Rückschaufehler hindert uns daran, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Das liegt daran, weil wir im Nachhinein davon überzeugt sind, etwas sei vermeidbar gewesen, oder eine Entscheidung sei leichter gewesen, als sie es zu der Zeit tatsächlich war. Dieses Phänomen beschreibt der Schweizer Geschäftsmann und Autor Rolf Dobelli sehr überzeugend in seinem Buch "Die Kunst des klaren Denkens" - eine faszinierende Untersuchung über falsche Grundüberzeugungen, die wir fast alle mit uns herumschleppen und die uns meistens nicht einmal bewusst sind.

Und so lässt sich der Rückschaufehler vermeiden: Führen Sie ein Tagebuch, und machen Sie sich bei wichtigen Meetings Notizen. Ein Freund von uns macht folgendes: Bei den häufigen Abendessen in seinem Haus in der Nähe des Kapitols in Washington - bei ihm sind oft ziemlich viele wichtige Leute zu Gast -, bittet er die Eingeladenen, ihre Einschätzung der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung auf ein Blatt Papier zu schreiben. Die Zettel legt er in eine Schublade und bewahrt sie dort ungefähr ein Jahr lang auf. Dann holt er sie raus und lässt sie vorlesen. Das ist immer ziemlich witzig, und führt zu der schmerzhaften Einsicht, dass wir mit unseren Vorhersagen fast immer daneben liegen - obwohl wir im Nachhinein gerne das Gegenteil behaupten.

 

 

Das Gruppendenken bekämpfen

3. Lösen Sie sich vom Gruppendenken und fangen Sie bei Neueinstellungen an

In seinem im Jahr 2008 erschienenen Buch "Überflieger: Warum manche Menschen erfolgreich sind - und andere nicht" präsentiert der Autor Malcolm Gladwell eine Theorie über die kulturellen Ursachen von Flugzeugabstürzen. Er weist darauf hin, dass die Fluggesellschaft Korean Air in den späten 1990er Jahren mehr Abstürze verzeichnete als fast jede andere Airline der Welt. Warum? Gladwell erklärt die hohe Fehleranfälligkeit mit dem in der koreanischen Gesellschaft tief verankerten Hierarchiedenken, dass dazu führe, dass Mitarbeiter den Vorgesetzten blind folgen - auch dann, wenn im Cockpit irgendetwas nicht stimmt.

Viele Firmen entwickeln eine eigene Kultur. Das ist auch wichtig. Wirkt aber die Unternehmenskultur wie ein zu enges Korsett, schnürt dies das unabhängige Denken ab und es entsteht eine stickige Atmosphäre.

Wenn Sie feststellen, dass alle in Ihrem Umfeld genauso denken wie Sie, dann sollte das ein Warnzeichen sein. Es kann sein, dass andere nur aus Furcht vor Strafe oder Ausschluss eine Schere im Kopf haben und sich zurückhalten. Viele Studien deuten darauf hin, dass Menschen in zu eng verbunden Gruppen der Illusion erliegen, unfehlbar zu sein.

Das Gruppendenken können Sie am besten bei Neueinstellungen bekämpfen. Halten Sie Ausschau nach Leuten, die mit Ihnen zwar die Grundüberzeugungen und Ziele teilen, die aber gleichzeitig auch standfest und unabhängig sind. Neue Mitarbeiter sollten bereit sein, Ihnen zu sagen, was sie wirklich denken. Sorgen Sie dafür, dass die Entscheidungen auf allen Ebenen im Unternehmen auf rationalen Erwägungen beruhen und sich nicht bloß aus hierarchischen Gewohnheiten ergeben oder aus einem vermeintlichen Anpassungszwang, der bewusst oder unbewusst bestehen kann.

Auch dazu hat Ernst Cramer eine Annekdote erzählt. Nämlich darüber, wie der Verleger Axel Springer ihn einstellte. Die beiden Männer trafen sich zu einem Gespräch in Springers Büro in Berlin. Cramer fand, das Treffen sei gar nicht gut gelaufen. Es hatte eine längere, vehemente Auseinandersetzung und ein zähes Hin und Her über eine politische Streitfrage zwischen den beiden gegeben. Keiner von ihnen war bereit gewesen, nachzugeben.

Im späteren Verlauf des Tages bekam Cramer einen Anruf und wurde gebeten, noch einmal zu Springer ins Büro zu kommen. Der Verleger begrüßte den jungen Redakteur mit den Worten: "Cramer, Sie sind eingestellt." Der ziemlich verblüffte Cramer erinnerte Springer daran, dass die beiden sich doch den halben Morgen lang sehr hitzig gestritten hätten. Springer erwiderte darauf nur: "Ganz genau. Und deshalb brauche ich Sie in unserer Mannschaft!"

Genau dies ist Ausdruck einer selbstkritischen Haltung: Die Scheuklappen abnehmen, um das Gesichtsfeld zu erweitern. Hier liegt der Schlüssel zu Wachstum und zu dem, was herausragende Manager ausmacht.

 

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